Gastfreundschaft in schwieriger Zeit –
Ökumenisches Gedenken: 80 Jahre Solidarität der Altlutheraner mit der Bekennenden Kirche
Kirchengemeinden der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), Rechtsnachfolgerin der Altlutheraner, und der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) sowie der Verein für Berlin-Brandenburgische Geschichte erinnern gemeinsam in Berlin an die durch Altlutheraner gewährte Gastfreundschaft für die Bekennende Kirche in der Zeit des Nationalsozialismus.
Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 hat die nationalsozialistische Ideologie sich zum Ziel gesetzt, alle gesellschaftlichen Kräfte zu durchsetzen und letztlich Macht auszuüben. Hiervon sind in auch die evangelischen Landeskirchen als gesellschaftlich prägende Kräfte betroffen gewesen. In ihren Reihen formierten sich die Deutschen Christen (DC). Mit ihrer Theologie haben sie versucht die nationalsozialistische Ideologie in die evangelischen Landeskirchen einzutragen, zu unterwandern und letztlich zu beherrschen. In manchen Landeskirchen mit Erfolg. Nach Einführung des Arier-Paragrafen durch die unierte Kirchenleitung in Berlin formierte sich innerhalb der evangelischen Kirche Widerstand. Die Bekennende Kirche, zu der als führende Vertreter Diedrich Bonhoeffer, Martin Niemöller und Otto Dibelius zu rechnen sind, ist als Reaktion im September 1933 entstanden. Evangelische Pfarrer, die sich der nationalsozialistischen Ideologie widersetzten, wurden amtsenthoben und suspendiert.
Dieses Schicksal traf auch die Pfarrer Lic. Ölsner (Kirchengemeinde St. Thomas, Berlin-Kreuzberg), Weder (Kirchengemeinde Himmelfahrt, Berlin-Wedding), von Rabenau (Kirchengemeinde Apostel-Paulus-Gemeinde, Berlin-Schöneberg), Pfarrer Lindenmeyer (Kirchengemeinde am Hohenzollernplatz, Berlin-Wilmersdorf).
Für die bedrängten evangelischen Christen in der Bekennenden Kirche öffneten Kirchengemeinden der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Altpreußen (Altlutheraner) ihre Kirchen und Gemeindesäle, damit sie Gottesdienste feiern und Bibelstunde halten konnten. Sie haben Kirchenasyl in ihren Evangelisch-Lutherischen Nachbargemeinden gefunden. Aufnahme fanden sie in der Evangelisch-Lutherischen Gemeinde „Zum Heiligen Kreuz", Berlin-Wilmersdorf, der Evangelisch-Lutherischen Gemeinde in Berlin-Mitte (Annenstraße 52/53) und der Evangelisch-Lutherischen Augustana-Gemeinde (Berlin-Wedding). Nicht nur in Berlin, sondern auch in anderen Teilen Deutschlands wurde der Bekennenden Kirche Gastfreundschaft gewährt, wie in Gotha, Wernigerode und Potsdam.
An diese ökumenische Gastfreundschaft in schwieriger Zeit, die bisher wenig in der Öffentlichkeit bekannt war, wird nun gemeinsam gedacht.
So findet am Donnerstag, 9. Oktober 2014 um 18.00 Uhr die Auftaktveranstaltung in der Humboldt-Universität zu Berlin statt (Burgstraße 5, 10178 Berlin, Hörsaal 013). Dr. Christian Neddens, Pfarrer der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche und Mitarbeiter am Lehrstuhl für Historische und Systematische Theologie an der Universität des Saarlandes, wird seine Forschungen unter dem Thema: „Bekennende Kirche und Altlutheraner im Kirchenkampf. Unerwartete Nähe und naheliegende Weggemeinschaft." vorstellen. Hierbei hat Neddens auch herausgearbeitet, dass es zwischen Altlutheranern und der Bekennenden Kirche eine theologische Nähe gegeben habe, wie die Betonung von Bekenntnis und Bekennen, die Bedeutung der Bibel und die liturgisches Erneuerung.
Die Reihe wird am Samstag, dem 11. Oktober 2014 um 17.00 Uhr in der evangelischen St. Thomas-Gemeinde Berlin-Kreuzberg (Mariannenplatz) fortgesetzt. Dieser Abend steht unter dem Motto: „Bekenntnis als Orientierung – die Entstehung altlutherischer Gemeinden und ihre Solidarität mit Pfarrern und Gemeindegruppen der Bekennenden Kirche." Mit einer gemeinsamen Wochenschlussandacht schließt die Veranstaltung.
Mit einem Gottesdienst am 12. Oktober 2014 um 10.00 Uhr in der evangelisch-lutherischen Kirche Berlin-Mitte (Annenstraße 52/53, 10179 Berlin) enden die Gedenkveranstaltungen. Die Predigt wird Pfarrer Johann Hillermann von der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche halten. Erwartet werden die Generalsuperintendentin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Ulrike Trautwein, und die Pfarrerin der St. Thomas-Gemeinde, Claudia Mieth.